Leichte Sprache – verständlich und damit barrierefrei
Heute sind Informationen durch Websites, Apps und Co. allgegenwärtig. Das heißt jedoch nicht, dass sie für alle gleich zugänglich sind. Schon mal darüber nachgedacht, dass es nicht für jeden leicht ist, die Flut von Texten zu lesen und zu verstehen? Der Zugang zu Texten kann aus den unterschiedlichsten Gründen für viele Menschen zur Herausforderung werden. Denn nicht jeder beherrscht die deutsche Sprache in gleichem Maße, sei es aufgrund von Lernschwierigkeiten, krankheitsbedingten kognitiven Beeinträchtigungen oder sprachlichen Barrieren. Genau hier setzt die „Leichte Sprache“ an – eine speziell geregelte sprachliche Form, die darauf abzielt, Texte besonders verständlich zu gestalten und somit die Barrierefreiheit zu fördern.
Praktische Anwendung und Herausforderungen
Leichte Sprache soll es allen erwachsenen Menschen ermöglichen, Informationen selbst zu erlangen und damit selbstbestimmter zu sein. Deswegen findet sie in verschiedenen Kontexten praktische Anwendung. In Deutschland gibt es beispielsweise gesetzliche Vorgaben, die Träger öffentlicher Gewalt verpflichten, Informationen vermehrt in „Leichter Sprache“ bereitzustellen. Das Behindertengleichstellungsgesetz und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung regeln die genaue Umsetzung dieser Verpflichtung.
Aber die Verantwortung für die Förderung und Verwendung der „Leichten Sprache“ liegt nicht nur bei staatlichen Stellen, sondern auch bei verschiedenen Organisationen. Das „Netzwerk Leichte Sprache“, bestehend unter anderem aus der Bundesvereinigung „Lebenshilfe“ und der Selbsthilfegruppe „Mensch zuerst“, setzt sich aktiv für die Verbreitung und Nutzung der „Leichten Sprache“ ein. Behörden wie der Deutsche Bundestag nutzen sie deswegen auf ihren Webseiten neben der Standardsprache, um Informationen barrierefrei bereitzustellen. Medien übersetzen aus demselben Grund komplexe Texte regelmäßig in „Leichte Sprache“. Amtliche Mitteilungen und andere Informationen, die jedem Bürger zur Verfügung stehen müssen, sollen immer auch in „Leichter Sprache“ vorliegen. Denn nur so erreichen sie jeden. Mittlerweile werden auch klassische Theaterstücke in „Leichter Sprache“ aufgeführt.
Leichte Sprache in Unternehmen
Auch Unternehmen werden künftig stärker in die Pflicht genommen, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Denn zum 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Demnach sollen alle Produkte und Dienstleistungen, die nach diesem Datum auf den Markt kommen von behinderten und beeinträchtigten Menschen ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein.
In Bezug auf das Thema Sprache bedeutet dies, dass Unternehmen (mit Ausnahmen) laut Gesetz Informationen mindestens in Einfacher Sprache zur Verfügung stellen müssen (B1-/B2-Niveau). Um Menschen mit größeren Beeinträchtigungen zu erreichen, ist der Einsatz von Leichter Sprache zu empfehlen. Damit zeigen Unternehmen nicht nur eine wertschätzende Haltung bezüglich Inklusion und größtmöglicher Barrierefreiheit, sondern erweitern auch ihren potenziellen Kundenkreis und erhalten weniger Rückfragen.
Schon jetzt gibt es Vorreiter, die nicht erst auf eine Verpflichtung warten. So bietet beispielsweise Paypal bereits seit 2018 AGBs auch in Leichter Sprache an. Darüber hinaus setzen viele Firmen schon seit einigen Jahren zumindest auf Einfache Sprache. Und zwar sowohl im Hinblick auf die externe wie auf die interne Mitarbeiterkommunikation.
Regelwerke für „Leichte Sprache“
Die „Leichte Sprache“ basiert auf umfangreichen Regelwerken, die von verschiedenen Organisationen herausgegeben werden. Diese umfassen nicht nur sprachliche Aspekte, sondern auch Rechtschreibregeln, Empfehlungen zur Typografie und zum Mediengebrauch. Dazu zählen beispielsweise folgende Regeln:
- Kurze Sätze
- Pro Satz nur eine Aussage
- Immer im Aktiv
- Satzgliederung = Subjekt + Prädikat + Objekt (z. B. Stefanie probiert Oblaten)
- Kein Konjunktiv
- Der Genitiv wird durch präpositionale Fügungen mit „von“ ersetzt, z. B. „Das Rad des Kindes“ durch „Das Rad vom Kind“.
- Keine Synonyme, Sonderzeichen und Verneinungen.
- Mengenangaben werden durch „viel“ oder „wenig“ ersetzt.
- Präzise Jahreszahlen durch eine allgemeine Angabe (beispielsweise wird „Napoleon verlor 1815 die Schlacht von Waterloo“ zu „…verlor vor langer Zeit…“)
- „Du“ und „Sie“ werden wie in der Standardsprache verwendet.
- Bindestriche oder Halbhochpunkte (auch als Mediopunkte bezeichnet) verdeutlichen, aus welchen Wörtern Zusammensetzungen bestehen, z. B. Koch-Schürze, Eier-Wärmer oder Koch·schürze, Eier·wärmer.
- Keine abstrakten Begriffe, wenn unvermeidbar mit Erklärung, Beispiel oder Vergleich
- Keine bildhafte Sprache
- Fremdwörter oder Fachwörter werden erklärt.
- Abkürzungen werden bei der ersten Erwähnung durch die ausgeschriebene Form erklärt.
- Es wird Groß- und Kleinschreibung verwendet
- Keine kursive Schrift
- Eine Zeile pro Satz
- Linksbündige Schreibweise
- Flattersatz
- Aufzählungspunkte sind willkommen.
- Bild und Text fließen nicht ineinander.
- Bilder werden eingesetzt, um den Text zu erklären.
Die Herausforderung dabei liegt vor allem in der sorgfältigen Umsetzung. Bei komplexen Texten ist das Beachten des Regelwerkes nämlich alles andere als leicht. Den Text zu vereinfachen, ohne den Inhalt oder die Botschaft zu ändern, erfordert viel Sorgfalt, Arbeit und Zeit.
Wichtig: Prüfer kontrollieren bei offiziellen Texten die regelkonforme Umsetzung und inhaltsgerechte Änderung.
„Jeder Text in Leichter Sprache muss von Expertinnen und Experten der Zielgruppe überprüft und freigegeben werden. Dieser Schritt gehört zwingend zum Regelwerk dazu, denn nur so kann sichergestellt werden, dass ein Text tatsächlich verständlich ist“, erklärt Sara Henßen, Texterin für soziale und inklusive Kommunikation.
Als eigenständige Variante des Deutschen ermöglicht die „Leichte Sprache“ auf diesem Weg Barrierefreiheit und fördert Selbstbestimmung für Menschen mit unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen. Grund genug, wichtige Texte auch in „Leichter Sprache“ verfassen zu lassen, oder?
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