Wo geht die Reise hin? Die Zukunft der Sprache

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Sprache kann einen und trennen. Die gleiche zu beherrschen ist eine Grundvoraussetzung für gelungene Kommunikation. Vielleicht ist das bald leichter, als wir denken. Denn zum ersten Mal rückt der Gedanke einer Universalsprache in den Bereich des Denkbaren. Diese Idee ist alles andere als neu: Einheitliche Hochsprachen gab es schon häufiger. Latein ermöglichte es den Römern, mit allen Untergebenen und Unterworfenen bis in die hintersten Winkel des römischen Weltreiches zu kommunizieren. Oder im Mittelalter dem Adel und Klerus als hegemoniale Brücke zu dienen. Die Einführung von Hochdeutsch oder Oxford English diente dazu, einen weitreichenden Kommunikationsstandard zu etablieren. Der Wunsch nach einer Einheitssprache ist demnach sehr alt und wird getragen von der Vision, den menschlichen Austausch zu erleichtern.

Social Mischmasch

Insbesondere die tiefgreifenden Veränderungen des Sozialverhaltens durch neue technische Optionen und globalisierte Kanäle führen einerseits zu einer neuen Verwendung der Sprache, die immer mehr Richtung Universalsprache driftet. Gesprochenes, Geschriebenes und Zeichensprache verschmelzen durch soziale Medien und Co. zu einer Spracheinheit, die hauptsächlich der schnellen Verständigung dient. Die vormals starre, standardisierte Schriftsprache gerät in Bewegung und wird in solchen Kanälen und Chats durchdrungen von der fließenden, sich stetig verändernden gesprochenen Sprache. Geschriebenes wird so formuliert, dass es dem Gesprochenen ähnelt und neue Kodierungen strömen in die Schriftsprache ein. Die Anzahl der Kommunikationspunkte wächst dank Instagram, TikTok und Co. und mit ihr gleichzeitig die schriftlichen Zeugnisse digitaler Sprache.

Weg vom Standard hin zu persönlichen Slangs

Von einer einheitlichen Standardsprache sind wir dennoch oft weit entfernt. Denn die Sprache wird freier und ist geprägt von individuellen Eigenarten und gruppenspezifischen Slangs. Wo viele aus diesem Grund vom Verfall der deutschen Sprache sprechen, sehen andere darin eine Möglichkeit für Entwicklung und Wachstum: Vor ungefähr hundert Jahren wurde der deutsche Wortschatz auf circa 3,7 Millionen Wörter geschätzt. Heute sind es 5,3 Millionen. In ihrem dritten Bericht zur Lage der deutschen Sprache bezeichnet die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung“ nicht ohne Grund Deutsch als „Sprache im Werden“. Der „normfreie“ Raum in den digitalen sozialen Kanälen macht einer neuen Sprachkreativität Platz, die den deutschen Wortschatz (und alle anderen Sprachen auch) wachsen lässt.

2200 nur noch 100 Sprachen

Der Wortschatz wächst, doch die Zahl der eigenständigen Sprachen wird dabei immer kleiner. Für das Jahr 2200 prognostizieren die Forscher nur noch 100 eigenständige Sprachen weltweit. Eine Abnahme ist auch jetzt schon zu verzeichnen: Statt der geschätzten 7500 Sprachen im Jahr 1500 werden heute nur noch 7000 eigenständige Sprachen erfasst. Zu den 100 überlebenden Sprachen werden den Wissenschaftlern zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit Englisch, gefolgt von Deutsch, Französisch, Japanisch, Spanisch und Chinesisch zählen, denn diese waren schon im Jahr 2007 die meist vertretenen im Internet. Immerhin 121 Millionen Menschen weltweit sprechen Deutsch und mehr als ein Viertel aller weltweit publizierten Bücher wird in Deutsch gedruckt.

Immer weniger Sprachenvielfalt, aber alles im Fluss?

Wo geht also der Trend hin? Zur lokalisierten, individualisierten Sprache mit Peergroup-Slang, die sich immer mehr dem Gesprochenen annähert? Wir bedienen uns zukünftig einer immer geringeren Zahl von einzelnen Sprachen, aber gleichzeitig werden diese in unglaublichem Tempo komplexer, kleinteiliger, spezieller und umfangreicher? Wohin soll das führen? Wie soll Kommunikation dann noch funktionieren? Eine Antwort lautet: mit Metatext und KI. Spracherweiterung durch Kurzelemente, die als Zusammenfassung von komplizierteren Beschreibungen fungieren (z. B. Emojis) schließen die Verständnislücken, die durch individualisierte Sprache ohne Standards entstehen. Sie nehmen eine erweiterte Bedeutung an, die als Brücke dient und komplexe Botschaften im Kontext transportieren kann.

Ein riesiges digitales Archiv hilft der KI

Linguisten sehen in der Nachverfolgbarkeit dieser Texte (da die meisten in den digitalen Kanälen öffentlich sind) eine Chance zur digitalen Erfassung aller Bedeutungen und Sprachebenen, die dann zur Entwicklung einer Universalsprache dienen könnte. Denn: Wir werden weltweit immer weniger, aber komplexere Sprachen verwenden. Damit steigt auch der Schwierigkeitsgrad der Verständigung. Die langfristige Forscher-Prognose sieht wegen dieses Problems die Herrschaft der sprechenden Maschinen voraus. KI analysiert sämtliche Texte im Net und stellt mit sogenannter „Korpuslinguistik“ den Sinngehalt der Texte, die Häufigkeit der Wortverwendung und Zusammenhänge über die grammatikalische Richtigkeit. Einmal analysiert und erfasst, lässt sich der Sprachinhalt dann in sämtliche Sprachen übersetzen und weitergeben. Und da ist sie, die Universalsprache der Zukunft: Wir sprechen die Maschine an, die Maschine spuckt den Inhalt beim Gegenüber in der Sprache aus, die verstanden wird. Der Universalübersetzer aus Star Trek lässt grüßen. Und mal ganz ehrlich: Weit entfernt sind wir mit Google Translate, Alexa, Siri und Co. doch gar nicht mehr, oder?

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